Ein Fall aus der Praxis, der im bundesweiten Klein- und Mittelstand regelmäßig vorkommt: ein fleißiger, fachlich kompetenter Selbständiger erstellt und vertreibt sein Produkt bzw. seine Dienstleistung. Er ist erfolgreich am Markt. Zunächst ist er allein, später gründet er „seine“ GmbH und hat einige Mitarbeiter. Die GmbH-Gründung verläuft schnell und einfach. Wertvolle Hinweise zu den zahlreichen Pflichten und Haftungsrisiken erteilt der Notar. Die Prüfung, ob der Gründer die Haftungsrisiken wirklich versteht, ist aber nicht seine Aufgabe. In der Folgezeit verschlechtert sich die Geschäftslage. Der GmbH-Geschäftsführer kündigt jetzt seinem Personal und seine Geschäftsräume, stellt den Geschäftsbetrieb ein und findet ein Anstellungsverhältnis. So weit, so „gut“.
Am Anfang um das Ende wissen
Nun eine Spielart: ohne jede rechtliche Beratung darüber, wie eine GmbH beendet wird, beschließt der Alleingesellschafter ihre Auflösung. Immerhin meldet er die Liquidation beim Handelsregister an. Offene Rechnungen werden zunächst noch vom Geschäftskonto überwiesen. Sobald das Geschäftskonto aufgelöst ist, überweist er die Restverbindlichkeiten von seinem Privatkonto.
Von diesem Konto wird u.a. auch die alljährlich steigende Androhungsverfügung des Bundesamts für Justiz, den gesetzlichen Pflichten zur Einreichung und Offenlegung der Bilanzen nachzukommen, bezahlt. Aber die Jahresabschlüsse werden nicht mehr erstellt, denn der GmbH-Geschäftsführer (jetzt Liquidator) wähnt sich wegen der von ihm durchgeführten Anmeldung der Liquidation in Sicherheit.
Auf einmal schreibt der Staatsanwalt
So vergehen mehrere Jahre. Erst als der Geschäftsführer durch einen Zufall die jährliche Rechnung des Bundesamtes nicht wie in den Vorjahren unverzüglich bezahlt, sondern urlaubsbedingt nur verzögert, informiert das Amt die Staatsanwaltschaft. Sie nimmt die Ermittlungen auf.
Im Zuge der Ermittlungen durch das Dezernat für Wirtschaftskriminalität werden besonders Insolvenzstraftaten untersucht. Das sind solche, die
- im engeren Sinne §§ 283 bis 283d StGB sowie die Verletzung der Insolvenzantrags- und der Gesellschafterinformationspflicht und
- im weiteren Sinne (z. B. Untreue, Betrug, Steuerhinterziehung, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und Sozialabgaben)
betreffen.
Schockiert von der Post, die der GF völlig überraschend von der Strafverfolgungsbehörde erhält, sieht sich der Geschäftsführer zu einem Gang zum Anwalt gezwungen. Mehr als 25 Jahre nach Gründung seiner GmbH, der erfolgreichen Führung und zwischenzeitlich mehr als fünf Jahre nach ihrer Einstellungeine sehr emotional belastende Situation.
Ordnung bis zum Schluss
Jetzt erfährt der Geschäftsführer, dass der einzige Weg, den das deutsche Gesellschaftsrecht zur ordnungsgemäßen Beendigung einer GmbH vorsieht, die Liquidation ist (§§ 66 ff. GmbHG). Die allerdings ist ein vergleichsweise komplexer Rechtsvorgang. Sie ist an eine Reihe besonderer Formalien gebunden.All das erfährt er erst nach Aufnahme der strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn jetzt durch seinen Verteidiger. Ebenso, dass die Liquidation nach ihrer Einleitung weiter durchzuführen ist und dass die berüchtigte Insolvenzantragspflicht nach Übergang in die Liquidation nicht wegfällt, sondern dann eben den Liquidator trifft.
Teure Unachtsamkeit
Die beschriebene rechtliche Unachtsamkeit kommt in der Praxis auch bei sehr versierten Spezialisten vor. Befeuert wird die Praxis vom Bedürfnis des ehemaligen Geschäftsführers, die Kostenfolge in jeder Richtung so gering wie möglich zu halten. Die Folge: es entsteht der Nährboden für das nach wie vor lukrative Geschäft der illegalen „Firmenbestatter“.
Im beschriebenen Fall führt nur der Zufall, dass der Geschäftsführer einerseits auf eine Verteidigung mit solidem wirtschaftsrechtlichem Hintergrund sowie andererseits auf kompetente Vertretung der Staatsanwaltschaft trifft. Es kommt zu einem guten Ausgang der Ermittlungen und erspart ihm ein Strafurteil.
Die gleichfalls einschneidenden zivilrechtlichen Folgen wie
- Handelsregistersperren, die eine künftige Berufsausübung als GF für fünf Jahre einschränken
- Verhängung von Berufsverboten
- zivilrechtliche Haftung
- Versagung der Restschuldbefreiung
tangieren den Geschäftsführer nur noch peripher: denn der einmalige Ausflug in das Gesellschaftsrecht ohne rechtliche Unterstützung genügt ihm. Eine Wiederholung schließt er zeitlebens glaubhaft aus.
Schnell kann ein rechtschaffener Klein- und Mittelständer, ein Könner in seinem Fachbereich in strafrechtliche Schwierigkeiten kommen. Dies, weil er kaufmännische und auch rechtliche Angelegenheiten selbständig und ohne fremden Sachverstand lösen möchte.
Wichtig zu wissen ist, dass jede GmbH – völlig unabhängig von ihrer Größe, Personalumfang oder Umsatzstärke – ein korporiertes Rechtssubjekt ist. Ihr Handeln unterliegt ihren Organen. So werden Gläubiger geschützt. Dies durch die umfassenden Anweisungen des Gesetzgebers, die es zu beachten und zu kennen gilt.