Zu wenige Kandidaten: Betriebsratswahl dennoch möglich.

 Eine Betriebsratswahl bei Diskrepanz zwischen Kandidatenzahl und Betriebsrats-Sitzen ist zulässig.

Zu wenige Kandidaten: Betriebsratswahl dennoch möglich.

Nicht jede Arbeitnehmerin oder jeder Arbeitnehmer hält sich für geeignet oder ist bereit, für die Betriebsratswahl zu kandidieren. Finden sich nicht genügend Kandidaten, kann die Betriebsratswahl dennoch stattfinden (BAG, Beschluss v. 24.04.2024, Az.: 7 ABR 26/23).

Regeln für Betriebsratswahlen

Grundsätzlich kann in Betrieben mit mindestens fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern ein Betriebsrat gewählt werden. Die Wahlberechtigung regelt § 7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), die Voraussetzungen zur Wählbarkeit § 8 BetrVG.

Die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder orientiert sich an der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer (§ 9 BetrVG). Bei einer Betriebsgröße von mehr als 100 und weniger als 200 Mitarbeitern besteht der Betriebsrat beispielsweise grundsätzlich aus sieben Mitgliedern.

In der Regel finden sich in einem Betrieb genug wählbare Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer. Allerdings mangelt es häufig an der Bereitschaft, für die Betriebsratswahl zu kandidieren.

Kandidatenmangel – Fall vor dem BAG

In einer Klinik mit 170 Mitarbeitern war ein Betriebsrat zu wählen. Nach § 9 BetrVG wären bei dieser Betriebsgröße sieben Betriebsräte vorgesehen.

Allerdings hatten sich nur drei Arbeitnehmerinnen zur Wahl gestellt, die auch sämtlich gewählt wurden und die Wahl annahmen. Da statt der nach § 9 BetrVG vorgesehenen Zahl von sieben Betriebsräten lediglich drei Wahlkandidaten gewählt wurden, hielt der Arbeitgeber die Wahl für unwirksam.

Sowohl das Arbeitsgericht Hamburg als auch das Landesarbeitsgericht Hamburg stellten jedoch fest: In analoger Anwendung des § 11 BetrVG sei bei Kandidatenmangel ein kleinerer Betriebsrat zu wählen. Seine Größe habe sich dann an der Zahl der Betriebsratsmitglieder der nächstniedrigeren Betriebsgröße zu bemessen.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG)

Dieser Auffassung schloss sich das BAG an. Der Umstand, dass für eine Wahl zum Betriebsrat nicht genügend Kandidaten zur Verfügung stünden, sei kein Hinderungsgrund für eine Betriebsratswahl.

Das Gericht wendet hier allerdings nicht § 11 BetrVG analog an. Vielmehr sieht das Gericht hier eine Regelungslücke, die im Wege der Rechtsfortbildung zu schließen sei, damit auch dann ein Betriebsrat gewählt werden könne. Bei dessen Größe sei auf die jeweils nächstniedrigere Stufe des § 9 BetrVG zurückzugehen, bis die Bewerberzahl für die Einrichtung des Betriebsrats mit einer ungeraden Mitgliederzahl ausreiche.

Zur weiteren Begründung der Rechtsfortbildung verweist das BAG auf § 1 BetrVG, nach dessen gesetzgeberischer Konzeption in betriebsratsfähigen Betrieben Betriebsräte gewählt werden.

Jegliche die Wahl regelnde Vorschrift sei so auszulegen, dass der Gesetzeszweck, Betriebsräte zu bilden, möglichst erreicht werde.

Als weiteres Argument fügt das Bundesarbeitsgericht an: Die Tatsache, dass sich nicht genug Wahlbewerber fänden, lasse nicht den Schluss zu, dass die Belegschaft keinen Betriebsrat errichten wolle.

Den Einwand, dass ein „kleinerer“ Betriebsrat nicht (mehr) arbeitsfähig sei, ließ das BAG außerdem nicht gelten. Die Funktionsfähigkeit eines „kleineren“ Betriebsrats sei dadurch gewährleistet, dass die einzelnen Betriebsratsmitglieder in größerem Umfang als bei einer Mitgliederzahl nach § 9 BetrVG von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen seien.

Im Ergebnis kommt das BAG damit zum Ergebnis, dass die Wahl eines „kleineren“ Betriebsrats die Betriebsratswahl weder nichtig noch anfechtbar macht.

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Das Wichtigste kurz zusammengefasst:

  • Die Größe eines Betriebsrats hängt grundsätzlich vor der Größe des Betriebs ab, in dem ein Betriebsrat gewählt wird: Je größer der Betrieb, desto mehr Betriebsratsmitglieder sieht das BetrVG für den Betriebsart vor.
  • Bei Kandidatenmangel ist es möglich, einen personell kleineren Betriebsrat zu wählen. Allein der Kandidatenmangel macht eine Betriebsratswahl nicht unwirksam/nichtig.
  • Ein Betriebsrat muss im Ergebnis aus mindestens drei gewählten Betriebsräten bestehen, die die Wahl annehmen.