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Wo Du willst-Jobs: Wieviel Freiraum lässt das Arbeitsrecht? - BUSE

Wo Du willst-Jobs: Wieviel Freiraum lässt das Arbeitsrecht?

 Unternehmen gewähren Mitarbeiter*innen mehr Flexibilität – Fünf Dos and Don´ts für HR.

Wo Du willst-Jobs: Wieviel Freiraum lässt das Arbeitsrecht?

Mit dem Angebot von „Wo Du willst“-Jobs erregte die Deutsche Bahn Anfang des Jahres Aufmerksamkeit. Angesichts des Fachkräftemangels denken Unternehmen darüber nach, wie sie Beschäftigte mit all ihren Bedürfnissen ansprechen können, etwa indem sie Arbeitsort und Arbeitszeit weiter flexibilisieren.

Im Gegensatz zum engeren Begriff des Homeoffice ermöglicht remote work oder mobiles Arbeiten „Working from anywhere“. Gesteht der Arbeitgeber einen solchen Wo-Du-willst-Job zu, erweitert er den Radius bei der Bewerbersuche, denn Beschäftigte können eine Stelle am Standort Berlin dann auch von Stuttgart ausüben. Mobil aus dem Ausland zu arbeiten, ist ebenfalls denkbar, was für deutsche Arbeitgeber aber Tücken bergen kann, wie wir bereits berichtet haben.

Anteil Distanzarbeit sinkt nach Ende der Homeoffice-Pflicht kaum

Um für Fachkräfte attraktiv zu sein, wollen Unternehmen immer öfter Beschäftigte mit all ihren Bedürfnissen ansprechen und dem Wunsch nach mehr Freiraum und Flexibilität entgegenkommen. Zwar sorgten unlängst ausgerechnet innovative Unternehmen wie Apple und Tesla für Schlagzeilen und Aufregung in den sozialen Netzwerken, weil sie mit Angestellten beim Thema Homeoffice über Kreuz lagen. Doch auch nach Ende der Homeoffice-Pflicht sank in Deutschland der Anteil der Beschäftigten kaum, die zumindest teilweise von zu Hause arbeiten, so das Ifo-Institut in München. Statt auf Präsenz setzen immer mehr Konzerne und große Familienunternehmen auf eine Kultur, die Ergebnisse in den Vordergrund stellt. Es wird akzeptiert, dass Menschen in verschiedenen Lebensphasen unterschiedliche Bedürfnisse haben.

Workation am Bodensee als Benefit?

Doch auf Dauer brauchen auch Fans des Homeoffice Abwechslung. Um aus dem Arbeitsalltag auszubrechen, lässt sich das Büro dank Distanzarbeit überall hinverlegen: in Coworking Spaces, öffentliche Räume wie Cafés oder das Hotel im Harz oder in die Ferienwohnung am Bodensee – unter Umständen sogar als Benefit und bezahlte Workation. Den Ideen scheinen derzeit keine Grenzen gesetzt.

Anforderungen an mobile Arbeit etwas flexibler

Aber wieviel Freiraum lässt das Arbeitsrecht? Grundsätzlich sind die gesetzlichen Anforderungen an mobile Arbeit flexibler: Anders als im Homeoffice gilt die Arbeitsstättenverordnung nicht, wenn Arbeitnehmer weitgehend ortsungebunden autonom entscheiden, wo sie arbeiten. Schließlich kann es nicht zu Lasten des Arbeitgebers gehen, wenn Beschäftigte im Hotel arbeiten wollen und dann mit krummem Rücken auf dem Bett vor dem Laptop sitzen. Auch lässt sich nicht überprüfen, ob der Stuhl im Café ergonomischen Anforderungen genügt. Doch diese fünf Regeln müssen HR Manager auch bei mobiler Arbeit im Blick behalten:

  1. Arbeitsschutz
    Arbeitsschutzrechtliche Vorschriften wie die Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 Abs. 1 ArbSchG, die Unterweisung nach § 12 Abs. 1 ArbSchG sowie die Betriebssicherheitsverordnung gelten grundsätzlich auch für mobile Arbeit, allerdings teilweise eingeschränkt. Mit Blick auf die Compliance sollten HR Manager*innen deshalb dokumentieren, inwieweit der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin auf etwaige Gefährdungen hingewiesen wurde.
  2. Arbeitszeit
    Grundsätzlich ist das Risiko von Entgrenzung und Arbeitszeitverstößen umso größer, je flexibler Arbeitnehmer arbeiten und je mehr Freizeitaktivitäten sie in den Arbeitstag integrieren können. So gilt auch weiterhin das Arbeitszeitgesetz mit einer Höchstarbeitszeit von acht Stunden am Tag. Das Bearbeiten von E-Mails am frühen Morgen oder späten Abend kann infolgedessen einen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz darstellen, der zeitnah auszugleichen ist. Wenn Eltern Kinder von der KITA abholen und sich abends noch einmal vor den Bildschirm setzen, führt dies häufig zu Problemen, weil sie die unterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden nach § 5 Abs. 1 ArbZG unter Umständen nicht einhalten können. Auch Ruhepausen im Sinne von § 4 ArbZG sind zu beachten. Insofern ist dringend zu hoffen, dass die Ampel-Regierung ihre Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag bald umsetzt und Möglichkeiten schafft, um von der Tageshöchstarbeitszeit abzuweichen. Im Blick behalten sollten Personalverantwortliche auch die Pläne von Bundesarbeitsminister Heil für eine Neuregelung der Arbeitszeiterfassung.
  3. Schutz von Daten und Geschäftsgeheimnissen
    Bei mobiler Arbeit im Café oder auf der Hotelterrasse ist das Risiko eines unbefugten Zugriffs durch Dritte viel höher als im Büro oder Homeoffice. Dementsrechend sorgfältig müssen Unternehmen den Umgang mit personenbezogenen Daten sowie Geschäftsgeheimnissen regeln, wenn Beschäftigte von überall arbeiten können. Es braucht klare Vorgaben, um Abläufe strukturiert sowie IT-sicher zu gestalten und im Falle eines Datenverlusts Meldepflichten einhalten zu können. Einen Leitfaden für wirksamen Datenschutz und Cybersecurity bei remote work liefert beispielsweise die Allianz für Cybersicherheit.
  4. Vereinbarung schließen und Beendigungsmöglichkeit vorsehen
    Wie bereits berichtet, ist es zwingend notwendig, dass Unternehmen eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag zur mobiler Arbeit treffen, um die Rechte und Pflichten bezüglich Arbeitsmitteln, Daten- und Geheimnisschutz, Haftung, Kosten sowie Widerrufsmöglichkeit klar zu regeln. Denn auch bei mobiler Arbeit bleibt der Arbeitgeber für die Einhaltung der DSGVO verantwortlich. Eine Betriebsvereinbarung reicht nicht aus.
  5. Mitbestimmung beachten
    In Unternehmen mit Betriebsrat empfiehlt sich grundsätzlich eine Betriebsvereinbarung zu mobiler Arbeit. Laut dem neuen Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG kann der Betriebsrat diese sogar mit Blick auf das „wie“ mobiler Arbeit verlangen, etwa um Arbeitszeit, Erreichbarkeit der Mitarbeiter*innen und technische Ausstattungen zu regeln.

Die Arbeitswelt wird immer vielschichtiger, weil Unternehmen ihren Mitarbeitern mehr Flexibilität bei Arbeitszeit und Arbeitsort ermöglichen wollen, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Das hat mit Blick auf die „Wo-du-willst-Jobs“ auch Vorteile für Arbeitgeber, weil sie beispielsweise Mitarbeiter unabhängig vom Standort rekrutieren können. Der Bewerberpool wird weitaus größer und es lassen sich auch Mitarbeiter halten, die wegziehen. Das Arbeitsrecht hält mit der neuen Flexibilität der Arbeitswelt nicht Schritt. Um einen möglichst großen Gestaltungsspielraum zu wahren, ist eine klare Abgrenzung mobiler Arbeit von Telearbeit im Homeoffice im Arbeitsvertrag notwendig. Mit Blick auf Stolperfallen im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht ist es in der Regel sinnvoll, den Wo-Du-willst-Job auf Deutschland zu beschränken.