Nachtzuschläge im Tarifvertrag unterschiedlich geregelt
Ungerecht behandelt fühlte sich eine Mitarbeiterin eines Limonaden-Herstellers, die regelmäßig in Nachtschicht arbeitete. Der Grund: Aufgrund eines Manteltarifvertrages der „Erfrischungsgetränke-Industrie Berlin und Region Ost“ erhalten Mitarbeiter bei ihrem Arbeitgeber unterschiedlich hohe Nachtzuschläge. Personen, die regelmäßig in der Nachtschicht arbeiten, erhalten 20 % Zuschlag. Arbeitnehmer, die unregelmäßig in der Nachtschicht arbeiten, erhalten immerhin 50 % Nachtzuschlag.
Darin sah die Mitarbeiterin eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 Grundgesetz (GG) und der EU-Grundrechtecharta. Also verklagte sie ihren Arbeitgeber auf Zahlung von 50 % Zuschlägen statt bisher nur 20 %.
Ihr wichtigstes Argument: Regelmäßige Nachtarbeit in Nachtschichten sei deutlich belastender als unregelmäßige Nachtarbeit.
Der Arbeitgeber sah das anders. Die unterschiedliche Höhe der Nachtzuschläge sei gerechtfertigt: Bei regelmäßiger Nachtarbeit könnten sich Arbeitnehmer auf die Belastung gut einstellen und Freizeit als Ausgleich entsprechend planen. Mitarbeitern, die unregelmäßig nachts arbeiten, sei das nicht möglich. Regelmäßige Nachtarbeit sei deswegen eine geringere Belastung. Als Ausgleich für die stärkere Belastung der unregelmäßigen Nachtarbeit würde ein höherer Nachtzuschlag gezahlt. Deswegen sei die Ungleichbehandlung bei den Nachtzuschlägen gerechtfertigt.
BAG: Unterschiedliche Nachtzuschläge im Tarifvertrag sind rechtens
Ähnlich beurteilte das BAG die Rechtslage, denn eine Ungleichbehandlung würde nur dann den Gleichheitsgrundsatz verletzen, wenn kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung vorliege. Liege ein sachlicher Grund vor, wären Ungleichbehandlungen – wie hier die unterschiedlichen Nachtzuschläge – rechtlich unproblematisch.
Wie der Arbeitgeber sah auch das Gericht den sachlichen Grund für die ungleichen Nachtzuschläge in der unterschiedlichen Belastung der Arbeitnehmer: Regelmäßige Nachtarbeit würde Arbeitnehmer weniger belasten als unregelmäßige Nachtarbeit. Das sei ein ausreichender Sachgrund für unterschiedlich hohe Nachtzuschläge. Die unterschiedliche Belastung (Planbarkeit, Unplanbarkeit) müsse ausgeglichen werden. Wie das geschehe, sei dann Sache der Tarifparteien.
Vorherige Entscheidung und Klagewelle
Mit dem aktuellen Urteil hat das BAG nun für Rechtssicherheit in derartigen Fällen gesorgt.
Denn 2018 hatte das BAG in der unterschiedlichen Belastung regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtschichten keinen sachlichen Grund für eine Mehrbelastung gesehen. Das hatte eine Klagewelle ausgelöst, da Arbeitnehmer mit geringeren Zuschlägen die möglichen höheren Zuschläge einklagten.
Einer dieser Fälle ist das hier besprochene Urteil. Den Fall der Mitarbeiterin des Limonaden-Herstellers legte das BAG 2020 allerdings dem EuGH vor und wollte u. a. geklärt wissen, ob eine solche Regelung das Gleichheitsrecht aus der EU-Grundrechte-Charta verletze.
Nein, entschied der EuGH. So konnte der Fall nun vom BAG endgültig geklärt werden. Als Grundsatzurteil sorgt dieses Urteil nun für eine Abkehr von der Rechtsprechung aus dem Jahr 2018.
BAG hatte für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer ähnlich entschieden
Bereits einige Jahre zuvor hatte sich das BAG mit voneinander abweichenden Nachtzuschlägen für Paketauslieferer beschäftigt. Hier beruhten die unterschiedlichen Zuschläge allerdings nicht auf einem Tarifvertrag. Aber auch hier sah das Gericht bereits kein Problem darin, dass unterschiedliche Nachtzuschläge – damals 30 % für unregelmäßige und 25 % für regelmäßige Nachtarbeit – bezahlt wurden (BAG, Urteil v. 09.12.2015 , Az: 10 AZR 423/14).
Insofern ist die Rechtsprechung zu „ungleichen“ Nachtzuschlägen nun einheitlich. Arbeitgeber können sich darauf verlassen, dass Nachtzuschläge in unterschiedlicher Höhe in diesen Fällen kein Klagerisiko auf „gleiche Bezahlung“ mehr bergen.
Das Wichtigste kurz zusammengefasst:
- Tarifverträge können ungleiche Nachtzuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit enthalten.
- Diese unterschiedlichen Nachtzuschläge verletzen nicht den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG: Die unterschiedliche Belastung ist als sachlicher Grund Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung.
- Klagen von Arbeitnehmern auf Zahlung „gleicher Nachtzuschläge“ werden in derartigen Fällen künftig nicht mehr erfolgreich sein.