Eine Kassiererin meldet, dass eine Supermarktkette verdorbene Ware umetikettiert. Der Mitarbeiter eines Nahrungsmittelproduzenten informiert über falsche Bio-Zertifizierungen. Oder ein Buchhalter entdeckt Bilanzmanipulationen. Diese Beispiele unterfallen künftig genauso dem Anwendungsbereich des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) wie Korruption, Datenschutzverstöße, Geldwäsche oder mangelnde Produktsicherheit. Nicht geschützt sind laut Gesetzesbegründung Meldungen wegen unethischen oder unmoralischen Handelns. Wie bereits berichtet, tritt die Neuregelung schon im Mai in Kraft, sofern der Bundesrat in seiner ersten Plenarsitzung am10. Februar zustimmt.
Reputationsschaden infolge Missbrauchs
Erfährt die Öffentlichkeit von entsprechenden Vorfällen, droht Arbeitgebenden ein erheblicher Reputationsschaden. Infolgedessen fürchten viele Unternehmen die Kehrseite des Schutzes von Whistleblowern: die Missbrauchsgefahr, etwa wenn gekündigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Falschinformationen über das Unternehmen oder Personen verbreiten. Grundsätzlich spielt es für den Schutz der Hinweisgeber keine Rolle, welche Motive sie für die Meldung haben. Die Rechte von Whistleblowern sind im Einzelfall mit dem Interesse der Arbeitgebenden an Loyalität und Geheimhaltung abzuwägen. Diese können sich auf die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Grundgesetz sowie ihr Unternehmerpersönlichkeitsrecht und den Schutz ihrer Reputation im Geschäftsverkehr berufen, was sich aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 Grundgesetz ergibt. Wir beschreiben Wichtiges und Wissenswertes, um sich für den Ernstfall zu wappnen und den guten Ruf des Unternehmens zu schützen.
- Schutz von Geschäftsgeheimnissen
Ist von der Meldung eines Whistleblowers ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 2 Nummer 1 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen betroffen, setzt § 6 HinSchG Grenzen: Die Weitergabe des Geschäftsgeheimnisses ist nur erlaubt, sofern ein Hinweisgeber hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die Weitergabe oder die Offenlegung dieser Informationen notwendig ist, um einen Verstoß aufzudecken. - Information muss nicht wahr sein
Darüber hinaus gelten gemäß § 6 HinSchG die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Nr. 2 und 3 HinSchG: Der Hinweisgeber muss hinreichenden Grund zu der Annahme haben, dass die Informationen der Wahrheit entsprechen. Und es muss sich um Verstöße handeln, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. Selbstredend ist die Offenlegung unrichtiger Informationen über Verstöße nach § 32 Abs. 2 HinSchG verboten.
Wichtig zu wissen: Notwendig, zugleich aber auch ausreichend ist, dass der Whistleblower gutgläubig ist, was die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Verstoßes betrifft. Nicht erforderlich ist also, dass die Informationen auch tatsächlich wahr sind.
Welche Sorgfalts- und Nachforschungspflichten hat der Hinweisgeber also bezüglich des Wahrheitsgehalts seiner Meldung? Dies regelt weder das HinSchG noch die EU-Whistleblower-Richtlinie. Entscheidend ist, ob der Hinweisgeber die Information aufgrund seiner individuellen persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für wahr halten durfte. Notwendig dürfte vor allem sein, dass der Hinweisgeber im Vorfeld einer Meldung alle verfügbaren Informationen auswertet. Weitergehende Nachforschungspflichten verlangt das HinSchG nicht. - Anspruch auf Schadensersatz bei Falschmeldungen
Whistleblower sind nur dann nicht geschützt, wenn sie vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschmeldungen abgeben. In diesem Fall steht dem Unternehmen nach § 38 HinSchG ein Anspruch auf Schadensersatz zu. - Offenlegung gegenüber Medien oder in Social Media als letztes Mittel
Neben interner und externer Meldung sieht das § 32 HinSchG als letztes Mittel die sogenannte Offenlegung vor: die Veröffentlichung in Print- und Online-Medien oder über soziale Netzwerke. Der Schutz von Whistleblowern ist in diesem Fall aber an Bedingungen geknüpft: etwa wenn die externe Meldung erfolglos war, in einer Notsituation, wenn eine Gefährdung von öffentlichem Interesse zum Beispiel durch Gammelfleisch vorliegt oder die Unterdrückung von Beweismitteln droht. - Für Medien gelten Maßstäbe der Verdachtsberichterstattung
Sofern Presse, Rundfunk oder Fernsehen die zugespielten Informationen veröffentlichen wollen, sind sie an die Maßstäbe der Verdachtsberichterstattung gebunden, die der Bundesgerichtshof aufgestellt hat:- Danach müssen die Medien beispielsweise zunächst eine ausreichende Recherche anstellen, bevor sie über einen Verdacht identifizierend berichten, anstatt betroffene Personen oder Unternehmen zu anonymisieren.
- Es bedarf eines Mindestbestandes an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleihen.
- Es muss sich um einen Vorgang von „gravierendem Gewicht“ handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgmeinheit gerechtfertigt ist.
- Notwendig ist auch eine Anhörung, indem die Redaktion vor Veröffentlichung eine Stellungnahme betroffener Personen oder Unternehmen einholt.
- Es darf zu keiner Vorverurteilung kommen: Die Berichterstattung muss ausgewogen sein, indem sie beispielsweise auch entlastende Umstände thematisiert oder mögliche unredliche Motive des Whistleblowers.
Um einem Skandal vorzubeugen, können Betroffene gegen die Veröffentlichung presserechtlich einschreiten und beispielsweise einen Anspruch auf Unterlassung wegen unzulässiger identifizierender Wortberichterstattung geltend machen.
- Attraktive interne Meldekanäle sind der beste Schutz
Schon im eigenen Interesse sind Unternehmen mit Blick auf drohende Reputationsschäden gut beraten, wenn sie gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 HinSchG die internen Meldekanäle mit Hilfe von Anreizen möglichst attraktiv gestalten, damit sich Hinweisgeber zunächst vertrauensvoll an diese wenden. Wir haben dazu bereits berichtet. So bewahren sie sich die Möglichkeit, etwaige Probleme zuerst intern zu klären und zu lösen, bevor sie nach außen dringen. Das gilt genauso für die in § 16 Abs. 1 HinSchG vorgesehene Pflicht, dass sowohl interne als auch externe Kanäle anonyme Hinweise ermöglichen und bearbeiten müssen. - Notfallplan für Krisenkommunikation
Spätestens jetzt brauchen Unternehmen einen Plan für die Krisenkommunikation bei Whistleblowing-Fällen. Die Fristen für eine Antwort auf eine Presseanfrage sind im Ernstfall sehr kurz. Nicht selten handelt es sich um wenige Stunden. Um schnell auf drohende Rechtsverletzungen durch eine Berichterstattung reagieren zu können, gilt es rasch Fragen zu beantworten wie: Hat der Hinweisgeber das Meldesystem eingehalten? Sind Geschäftsgeheimnisse betroffen? Finden sich in der Presseanfrage falsche oder unvollständige Informationen, die es richtigzustellen oder zu ergänzen gilt? Haben sich die Medien bei der Veröffentlichung an die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung gehalten?
Auch nach innen bedarf es einer durchdachten Kommunikationsstrategie. Das Brodeln der Gerüchteküche sollte verhindert werden. Eine Salamitaktik, die einen Sachverhalt scheibchenweise zugibt oder gar immer wieder berichtigt, ist ungeeignet.
Bei Whistleblowing durch Arbeitnehmer ist der Schutz der Reputation nicht nur eine rechtliche Frage. Mindestens ebenso wichtig ist die Kommunikation: Wie bereits berichtet, hilft eine gute Gesprächskultur der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untereinander und gegenüber Führungskräften, Fehlverhalten und Missstände aufzudecken, bevor die Reputaion ruiniert ist, oder Behörden einschreiten. So empfiehlt es sich beispielsweise, soziale Verantwortung zu fördern und gegen Verstöße konsequent vorzugehen.