Beschäftigte sind relativ offen für den Einsatz digitaler Helfer, wenn der Nutzen offensichtlich und Missbrauch ausgeschlossen ist. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Verlässliche, transparente Regeln und Grenzen des Einsatzes sind danach entscheidend dafür, dass die Einführung akzeptiert wird. Befragt wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in mitbestimmten Logistik- und Fertigungsunternehmen, die bereits Erfahrungen mit Wearables gesammelt hatten: beispielsweise mit Datenbrillen, Handschuhen mit Sensoren und Scannern oder „Pick-by-Voice-Systemen“, die Arbeitnehmende bei der Kommissionierung Schritt für Schritt anleiten und ihnen die Planung abnehmen.
Mehr Effizienz und trotzdem weniger Stress
Laut den Managerinnen und Managern, die an der Studie teilnahmen, sollten die digitalen Assistenten unnötiges Hantieren mit Papierlisten überflüssig machen, um die Arbeitsprozesse zu beschleunigen, die Ergonomie zu verbessern sowie Fehler und Störungen zu verhindern. Die Beschäftigten bewerteten die Technologie unter anderem auch deshalb positiv, weil Effizienzgewinne nicht zu Stellenstreichungen oder höheren Leistungsanforderungen geführt hatten. Nicht nur die Fehlerzahl sei gesunken, sondern auch Arbeitsintensität und Stress. Welche rechtlichen Stolperfallen sind zu umgehen, um eine solche Win-win-Situation für Arbeitgebende und Arbeitnehmende zu schaffen?
- Beschäftigtendatenschutz beachten
Wearables generieren personenbezogene Daten, die nach der Datenschutzgrundverordnung und dem Bundesdatenschutzgesetz besonders geschützt sind: Je nach konkretem Einsatz ist eine umfassende Leistungs- und Verhaltenskontrolle oder gar Dauerüberwachung von Mitarbeitern denkbar, etwa indem die digitalen Assistenten die Geschwindigkeit bei der Arbeit messen, Abweichungen von Vorgaben oder Fehler dokumentieren. Notwendig ist deshalb die Einwilligung der Beschäftigten oder eine rechtliche Grundlage für die Datenverarbeitung. - Vorfahrt des Datenschutzes vor Weisungsreicht des Arbeitebers
Das Weisungsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO und § 611 Abs. 1 BGB liefert keine entsprechende gesetzliche Grundlage. Vielmehr unterliegt es einer datenschutzrechtlichen Kontrolle, da das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Arbeitnehmenden auch im Arbeitsverhältnis gilt. - Wann ist der Einsatz von Wearables angemessen?
Stattdessen kommt als gesetzliche Grundlage für den Einsatz von Datenbrillen oder Smart Hands § 26 des Bundesdatenschutzgesetzes in Frage. Allerdings nur dann, wenn es für eine Arbeitserleichterung oder den Gesundheitsschutz keine gleich geeignete Alternative gibt, welche die informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten weniger stark beschneidet. Die betrieblichen Interessen sind also mit den Persönlichkeitsrechten der Arbeitnehmer abzuwägen. Die Datenverarbeitung mit Hilfe der Wearables ist auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken, um die Arbeit zu erledigen. Ausnahmen gelten, wenn der Job mit besonderen Gesundheitsgefahren verbunden ist: etwa bei Sensoren in der Schutzausrüstung von Rettungskräften oder beim Umgang mit gefährlichen Stoffen. Grenzen setzt die Rechtsprechung immer dann, wenn Privat- oder gar Intimsphäre der Beschäftigten betroffen sind, oder eine Rundumüberwachung möglich ist. - Betriebsvereinbarung als Königsweg
Vor diesem Hintergrund ist in der Praxis oft eine Betriebsvereinbarung als Rechtsgrundlage ratsam. Schließlich bestimmt der Betriebsrat bei technischen Einrichtungen wie Wearables ohnehin gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mit. Und er übernimmt nach § 80 BetrVG auch eine Überwachungsfunktion für den Datenschutz.
Für Unternehmen ohne Betriebsrat sind betriebliche Vereinbarungen über die Einführung von Wearables ebenfalls sinnvoll, um die Akzeptanz für die neue Technologie zu erhöhen: So sind laut der Studie der Hans-Böckler-Stiftung verlässliche und transparente Regeln und Grenzen des Einsatzes entscheidend für den Erfolg der neuen Technologie. Zu diesem Ergebnis kommen die Forschenden anhand von 16 Fallstudien, in denen Manager, Betriebsräte und Mitarbeitende aus den Bereichen Logistik und Fertigung in der Automobil-, Elektrotechnik und Automatisierungsindustrie befragt wurden. Trotz intensiver Bemühungen erhielten die Forschenden keinen Zugang zu Betrieben ohne Betriebsräte. Sie ziehen daraus den Schluss, dass die Fallstudien tendenziell Best-Practice-Beispiele abbilden. - Vorsicht bei Wearables für das betriebliche Gesundheitsmanagement
Immer häufiger nutzen Unternehmen auch Wearables wie Fitness-Tracker, Smartwatches oder Apps auf dem Diensthandy als digitale Helfer für das betriebliche Gesundheitsmanagement. Diese messen beispielsweise Kaloriengehalt, Stressbewältigung und Bewegung. HR Managerinnen und Manager stehen dann vor der Herausforderung, dass es sich hierbei um sensitive Gesundheitsdaten handelt, die nach Art. 9 DSGVO besonders schutzwürdig sind. Zulässig sind diese Wearables nur auf Grundlage einer ausdrücklichen Einwilligung der Beschäftigten, die zudem auf echter Freiwilligkeit beruht. Zusätzlich gelten strenge Vorgaben für die IT-Sicherheit. Verletzt ein Arbeitgeber durch den Einsatz von Fitnesstrackern das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Beschäftigten, können sie die Arbeit verweigern, bis der rechtswidrige Einsatz der Wearables beendet ist. Unter Umständen drohen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche.
Um beim Einsatz von Wearables eine Win-win-Situation für Arbeitgeber und Beschäftigte zu schaffen, sind Betriebsvereinbarungen sinnvoll, die verlässliche und transparente Regeln für den Einsatz von Datenbrillen, Smart Hands & Co. aufstellen und Grenzen für die Datennutzung ziehen. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Arbeitgeber der Mitbestimmung unterliegt oder nicht. Sofern Beschäftigte über die Aufzeichnung und Verwendung von Daten selbst entscheiden können, sind sie hierzulande laut der Studie der Hans-Böckler-Stiftung sogar prinzipiell aufgeschlossen für die Messung von Emotionen während der Arbeit: Nur 32 Prozent hat dagegen Bedenken. Bei der Erfassung von Körpersignalen wie dem Pulsschlag waren es 23 Prozent und bei der Aufzeichnung von Bewegungen 25 Prozent.