Mit einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot verpflichten sich Arbeitnehmer*innen, dem Unternehmen nach Ende des Arbeitsverhältnisses für maximal zwei Jahre keine Konkurrenz zu machen. Dafür leistet der Arbeitgeber eine finanzielle Kompensation, die sogenannte Karenzentschädigung. Deren Mindesthöhe ist gesetzlich in § 74 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt: Sie beträgt die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenenen Leistungen. Zu berücksichtigen sind beispielsweise auch ein Fimenwagen sowie variable Vergütungskomponenten.
Welche variablen Vergütungsanteile sind anzurechnen?
Unklar war bislang oft: Sind auch Aktienzuteilungen durch eine Konzernobergesellschaft einzubeziehen, die nicht am Arbeitsverhätnis beteiligt ist? Entsprechende Aktienoptionen größerer Konzernmütter können ein entscheidender finanzieller Anreiz sein, um für ein junges Tochterunternehmen zu arbeiten.
Im konkreten Fall war der Kläger bei der Beklagten mit einem monatlichen Grundgehalt von rund 11.000 Euro monatlich beschäftigt. Die Beklagte zählt zu einer Unternehmensgruppe, deren Obergesellschaft ein US-amerikanisches Unternehmen ist. Im Arbeitsvertrag verpflichtete sich der Kläger zu einem neunmonatigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Im Gegenzug sollte er nach Ende der Anstellung eine Karenzentschädigung erhalten, „welche für jedes Jahr des Verbots die Hälfte der vom Angestellten zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen erreicht“.
Teilnahme an Restricted Stock Options-Programm der Obergesellschaft
Während des Arbeitsverhältnisses partizipierte der Kläger am Restricted Stock Options (RSU)-Programm der Obergesellschaft. Nach seinem Ausscheiden hielt er sich an das Wettbewerbsverbot und verlangte von seinem früheren Arbeitgeber, dass dieser bei der Berechnung der Karenzentschädigung auch den Wert der beschränkten Aktienerwerbsrechte berücksichtigt. Er erhielt diese auf Basis „Global Restricted Stock Stock Unit Award Agreements“, das er separat mit der US-Konzernmutter vereinbart hatte. Unter anderem anngesichts des entscheidenden Einflusses des Arbeitgebers und dessen eigener Entscheidungsgewalt hinsichtlich der Anzahl der künftig zu gewährenden RSUs, die sich in der jährlichen Leistungsbewertung Jahr für Jahr realisiert hätten, komme es nicht darauf an, wer Schuldner dieser Leistungen sei, so der Kläger.
Vertrag mit Muttergesellschaft – kein Anspruch auf höhere Karenzentschädigung
Wie schon die Vorinstanzen teilte das Bundesarbeitsgericht diese Auffassung nicht: Der Begriff der „vertragsgemäßen Leistung“ gemäß § 74 Abs. 2 HGB umfasse nur solche Leistungen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrags beruhen und die der Arbeitgeber dem Beschäftigten als Vergütung für die geleistete Arbeit schuldet. Gewährt nicht der Arbeitgeber, sondern die Obergesellschaft Restricted Stock Options, sind diese nicht Teil der vertragsgemäßen Leistungen nach § 74 Abs. 2 HGB, so die obersten Arbeitsrichter in Erfurt. Zugleich stellten sie klar: Anders sei dies zu beurteilen, wenn der Vertragsarbeitgeber ausdrücklich oder konkludent eine (Mit)-Verpflichtung für beschränkte Aktienerwerbsrechte eingeht. Zu beurteilen sei dies nach den konkreten Umständendes Einzelfalls.
Der Kläger konnte das BAG auch nicht mit dem Argument überzeugen, dass das Wettbewerbsverbot konzernweit gilt. Dies könne allenfalls eine Rückführung der dem Kläger auferlegten Beschränkungen nach § 74 a Abs. 1 HGB bewirken.
Das Bundesarbeitsgericht schafft mehr Klarheit bei beschränkten Aktienerwerbsrechten im Konzernverbund, etwa wenn Beschäftigten in Startups Restricted Stock Options an einer Konzernmutter eingeräumt werden. Nur wenn der Vertragsarbeitgeber sich ausdrücklich oder konkludent verpflichtet, Aktienerwerbsrechte zu gewähren, muss er diese bei der Berechnung einer Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot berücksichtigen. Ansonsten können durch Aktienerwerbsrechte schnell unkalkulierbare Risiken etwa für Startups drohen, die keinen Einfluss auf die Gewährung der RSUs durch die Konzernmutter haben.