Noch nie war sie attraktiver: Die Mitarbeiterbeteiligung.

 Zukunftsfinanzierungsgesetz sieht 3x höheren Steuerfreibetrag vor.

Ernst Brückner, Dr. Yuanyuan Yin

Noch nie war sie attraktiver: Die Mitarbeiterbeteiligung.

Das geplante Zukunftsfinanzierungsgesetz zielt unter anderem darauf ab, mehr Beschäftigte zu Miteigentümer*innen der Unternehmen zu machen, für die sie arbeiten. Es war noch nie günstiger als jetzt, Programme für eine Mitarbeiterbeteiligung einzuführen.

Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz, dessen Eckpunkte Bundesjustizminister Marco Buschmann und Bundesfinanzminister Christian Lindner Ende Juni vorgestellt haben, will die Ampelkoalition unter anderem die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung verbessern: So soll der Steuerfreibetrag auf 5.000 Euro steigen und sich somit mehr als verdreifachen. Zudem sehen die Pläne vor, die Regelungen in § 19 EStG zur aufgeschobenen Besteuerung der geldwerten Vorteile aus Vermögensbeteiligungen von Arbeitnehmer*innen auszuweiten. Zusätzlich soll sich die Arbeitnehmer-Sparzulage zu den vermögenswirksamen Leistungen erhöhen.

Kein Schönwetterinstrument

Schon jetzt bieten Mitarbeiterbeteiligungsprogramme Unternehmen viele Vorteile: Durch die gefühlte Mitunternehmerschaft funktionieren Innovation und Weiterentwicklung oft noch besser, was gerade angesichts der digitalen und grünen Transformation der Unternehmen von großer Bedeutung sein kann. Studien belegen immer wieder, dass sich die Beteiligung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern positiv auf die Leistungs- und Überlebensfähigkeit von Unternehmen auswirkt. Dabei handelt es sich nicht um Schönwetterinstrumente. Stattdessen können die Modelle sogar helfen, Krisenphasen zu überstehen, indem sie den Finanzierungsspielraum verbessern. Doch bislang schrecken insbesondere mittelständische Unternehmen oft davor zurück, weil sie administrativen Aufwand und Kosten fürchten. Das muss aber nicht sein, wenn Unternehmen das individuell passende Modell finden.

Vielfältige Modelle

Grundsätzlich gibt es kein Modell von der Stange, um Beschäftigte zu Mitunternehmern zu machen. Die Auswahl hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab:

  1. Mitarbeiterdarlehen sind ein unkompliziertes Modell für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in jeder Rechtsform. Um Anreize zu setzen, lässt sich beispielsweise im Wege eines sogenannten partiarischen Darlehens eine gewinn- oder umsatzabhängige Verzinsung vereinbaren. Aber Vorsicht: Mitarbeitendarlehen müssen für den Fall einer Insolvenz abgesichert werden, und es sind bankaufsichtsrechtliche Vorgaben zu beachten. Das macht Mitarbeiterdarlehen für den Arbeitgeber weniger attraktiv gegenüber einer Fremdfinanzierung am freien Markt.
  2. Stille Beteiligungen sind laut dem Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung das Standardmodell im Mittelstand. Der formale Aufwand ist relativ gering und es werden keine gesellschaftsrechtlichen Mitspracherechte der Mitarbeiter begründet, sondern nur Informationsrechte. Insbesondere für Familienunternehmen kann das ein entscheidendes Argument sein. Die Beschäftigten sind sowohl am Gewinn als auch am Verlust beteiligt und treten nach außen nicht als Gesellschafter auf. Eine stille Beteiligung gilt als Mezzanine, also als Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital. Ob sie eher als Eigenkapital mit positiver Wirkung auf das Rating oder als Fremdkapital zu werten sind, hängt von folgenden Faktoren ab: Sind die Kapitalgeber am Verlust beteiligt? Und wie lange steht dem Unternehmen die Beteiligung zur Verfügung? Je nach Gestaltung lassen sich auch positive Steuereffekte erzielen.
  3. Genussrechte sind schuldrechtliche Beteiligungen, die sich ebenfalls oft für KMU eignen: Die Mitarbeiter*innen können keinen Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen. Sie haben weder Rechte noch Pflichten. Je nach Gestaltung sind sie am Gewinn und Verlust beteiligt. Sofern eine Beteiligung an etwaigen Verlusten vorgesehen ist, kann dies zu mehr Verständnis führen, wenn Einschnitte notwendig sind. Wie stille Beteiligungen gelten Genussrechte als Mezzanine. Bei entsprechender Gestaltung können sie das Eigenkapital stärken.
  4. Mit Belegschaftsaktien werden Mitarbeiter zu Miteigentümern. Sie nehmen an der Hauptversammlung teil und erhalten Auskunftsrechte. Die Mitwirkungsrechte sind begrenzt, weil es sich in der Regel um Vorzugsaktien mit Dividendenanspruch handelt. Als Belegschaftsaktionäre tragen sie ein Verlustrisiko in Höhe ihrer Einlage. Bei einer GmbH funktioniert das Modell ähnlich über den Erwerb von Geschäftsanteilen. Nachteile sind beispielsweise: Die Stimm- und Kontrollrechte der Anteilseigner verzögern die Entscheidungsprozesse. Sollen Anteile an einer GmbH oder UG übertragen werden, erfordert dies den Gang zum Notar. Aufgrund der strengen gesetzlichen Vorgaben, Aufwand und Kosten eignet sich das Modell weniger für den Mittelstand. Zugleich stellen sich insbesondere bei nicht-börsennotierten Unternehmen Bewertungsfragen mit entsprechenden steuerlichen Risiken. Ein weiterer Nachteil etwa für Startups: Die derzeitigen Gesellschafter „verwässern“ ihre Anteilsquote.
  5. Mit virtuellen Beteiligungen (Virtual Stock Options oder Virtual Shares) lässt sich eine Beteiligung am Eigenkapital nachbilden. Die Beschäftigten erhalten dann keine echten Anteile oder Anteilsoptionen, sondern lediglich Vermögensrechte. Ihnen stehen kaum Informations- oder Kontrollrechte und kein Mitspracherecht zu. Sie haben keinen laufenden Anspruch auf den jährlichen Gewinn, sondern partizipieren wie ein Gesellschafter je nach Ausgestaltung an Ausschüttungen, Liquidationserlösen oder Unternehmens- und Anteilsverkäufen. Deshalb nutzen Startups das Modell häufig. Die Beschäftigten werden am Unternehmenswert in der Zukunft beteiligt, indem sie bei einem Exit wie ein Miteigentümer gestellt werden. Allerdings ergeben sich beim Erwerb der Anteile auch hier oft knifflige Fragen zur Unternehmensbewertung.

Kombination mit vermögenswirksamen Leistungen

In vielen Fällen ist es möglich, die Beteiligung mit vermögenswirksamen Leistungen zu kombinieren, so dass die Beschäftigten beispielsweise zusätzliche Anteilsscheine erhalten.

Bei der Entscheidung für oder gegen ein Modell spielen die steuerlichen Faktoren eine wichtige Rolle: Inwieweit sind die Einkünfte der Arbeitnehmer*innen aus den Programmen privilegiert? Und inwieweit kann der Arbeitgeber die Zuwendungen als Betriebsausgabe gegenüber dem Finanzamt geltend machen? Herausforderungen ergeben sich dabei insbesondere im internationalen Kontext.

Mitbestimmung beachten

Mitarbeiterprogramme lassen sich idividualvertraglich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer regeln. Meist werden sie aber als freiwillige Betriebsvereinbarung im Sinne von § 88 Nr. 3 BetrVG mit den Arbeitnehmervertreter*innen abgeschlossen. Unter Umständen ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG tangiert.

Vorsicht: AGG gilt!

Aber Vorsicht: Sofern das Beteiligungsprogramm nicht auch betriebsfremden Dritten offensteht, sind Unternehmen an das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gebunden. Es ist also grundsätzlich allen Beschäftigten anzubieten.

Bei der Wahl eines Modells für die Mitarbeiterbeteiligung müssen Unternehmen personalwirtschaftliche, rechtliche, steuerliche und bilanzielle Aspekte sorgfältig abwägen. Richtig aufgesetzt, sind die Programme unkompliziert und gut zu organisieren. Gerade vor dem Hintergrund der digitalen und grünen Transformation der Wirtschaft kann die Mitarbeiterbeteiligung ein sinnvolles Instrument sein, um einen Mechanismus für unternehmerisches Denken und Handeln im zu verankern. Auch die Identifikation mit dem Unternehmen und die Mitarbeiterbindung lässt sich so steigern. Angesichts der Verbesserungen, die das Zukunftsfinanzierungsgesetz vorsieht, war die Zeit noch nie so günstig wie jetzt, um ein solches Programm einzuführen.