Rolle des Betriebsrats und besonderer Kündigungsschutz
Die Aufgabe von Betriebsräten besteht darin, die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber wahrzunehmen. Dass sie dabei auch „kritische Stimme“ gegenüber dem Arbeitgeber sind, liegt in der Natur der Sache.
Um kritische Äußerungen eines Betriebsrates und eine darauf gestützte (fristlose) Kündigung ging es auch im Fall vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen.
Kritische Äußerungen in Video vor Firmenlogo
Ein Betriebsratsmitglied hatte vermeintlich während einer Betriebsratssitzung heimlich und ohne dessen Erlaubnis den Betriebsratsvorsitzenden gefilmt. Das nahm der Arbeitgeber zum Anlass, den Betriebsrat zum ersten Mal fristlos zu kündigen.
Seine Reaktion auf diese – aus seiner Sicht politische – Kündigung folgte prompt: Der Betriebsrat drehte vor dem Betriebsgelände ein Video, in dem er selbst und sein Anwalt zu Wort kamen. Mit Kritik gegenüber dem Arbeitgeber sparten beide nicht. Dass das Logo des Arbeitgebers im Hintergrund zu sehen war – kein Zufall.
Das Video veröffentlichte er auf YouTube und teilte den Link auf seinem Facebook-Profil unter dem Titel „Politische Kündigung?“ mit dem Zusatz: „Komplott unter der Gürtellinie. Will Unternehmen XY mit Lügen Betriebsrat kündigen?“
Die Reaktion des Arbeitgebers auf die stark zugespitzten Formulierungen im Video, die allesamt als Fragen formuliert waren: erneut eine fristlose Kündigung.
Auch gegen diese Kündigung ging der Betriebsrat gerichtlich vor und – bekam Recht.
Keine Lügen, nur scharf formuliert
Aus seiner Sicht habe er weder eine Amtspflicht als Betriebsrat noch eine allgemeine Vertragspflicht als Arbeitnehmer verletzt. Einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (§ 15 Abs 1 KSchG, § 626 Abs 1 BGB) sah der Mann deswegen nicht.
Das Gericht sah das genauso.
Einerseits habe der Betriebsrat im Video keine unwahren Tatsachen über den Arbeitgeber aufgestellt. Er habe im Video lediglich scharf formulierte Fragen in den Raum gestellt. Das sei eine Meinung – also als subjektive Bewertung äußerer Geschehnisse – und keine „falsche Tatsachenbehauptung“.
Beleg dafür sei, dass „… sowohl die Überschrift als auch der Untertitel des Videos mit einem Fragezeichen gekennzeichnet“ waren. Das ist nach Auffassung des Gerichts ein eindeutiges Zeichen dafür, „… dass keine Tatsachenbehauptung aufgestellt, sondern eine Frage in den Raum gestellt wird“.
Hinzukam aus Sicht des Gerichts, dass der Betriebsrat erkennbar als Betriebsratsmitglied über seinen privaten Facebook-Account gepostet habe.
Und nicht zuletzt hielt das Gericht das Video nicht für so öffentlichkeitswirksam, als dass es die Kündigung eines Betriebsrats rechtfertigen würde. Zwar würde das Video den Arbeitgeber nicht in ein positives Licht setzen. Weil das Video aber nur wenig Aufmerksamkeit bekommen habe, habe das Video nur einen unbedeutenden Reputationsschaden und keine nachhaltige Schädigung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts (Art. 2 GG) verursacht.
Kurzum: Der Arbeitgeber musste hier mit dieser Form der Kommunikation des Betriebsrates leben und den Mann nach mehr als 30 Jahren im Unternehmen nach diesem Vorfall weiterbeschäftigen.
Das Wichtigste kurz zusammengefasst:
- An die Kündigung von Betriebsräten sind wegen des besonderen Kündigungsschutzes grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen.
- Kritische Äußerungen über den Arbeitgeber – auch wenn sie über die sozialen Medien öffentlich gemacht werden – reichen grundsätzlich nicht für eine (fristlose) Kündigung.
- Bei kritischen Äußerungen kommt es darauf an, ob eine Meinung oder eine falsche Tatsachenbehauptung vorliegt und wie groß der Reputationsschaden durch eine Äußerung ist.