Der Fall vor dem BAG
Bis vor das BAG gelangte der Streit einer Frau, die einige Jahre Fremdgeschäftsführerin einer GmbH war.
Ihre Aufgaben waren im Dienstvertrag detailliert geregelt, teils bis hin zu einer bestimmten Anzahl an Anrufen und Besuchen je Woche, die sie nachweisen musste. Auch ihr Urlaubsanspruch war im Dienstvertrag geregelt. Nur nahm die Frau diesen Urlaub zuletzt spärlich: 2019 nahm sie lediglich 11 Tage Urlaub, 2020 nahm sie gar keinen Urlaub.
Die Zusammenarbeit mit der GmbH endete nach rund acht Jahren, als die Geschäftsführerin ihren Geschäftsführervertrag zu Ende Juni 2020 kündigte.
Nicht genommenen Urlaub wollte sie nach Ende der Zusammenarbeit ausbezahlt bekommen, immerhin ein Betrag von rund 11.300 Euro brutto zzgl. Zinsen als Urlaubsabgeltung.
Die GmbH sah das nicht ein, hatte die Geschäftsführerin aber auch nicht darüber aufgeklärt, dass der Urlaub verfallen kann. Das geschah wohl in dem Glauben, dass die Geschäftsführerin keine Arbeitnehmerin sei und deswegen nicht aufgeklärt werden müsse, damit ihre Urlaubsansprüche verfallen.
Ein teurer Irrtum, wie sich herausstellen sollte.
Arbeitnehmer nicht zu informieren, kann teuer werden
Arbeitnehmer darüber aufzuklären, dass ihr Urlaub verfallen kann, wenn er nicht innerhalb einer bestimmten Frist genommen wird, ist keine Pflicht für Arbeitgeber im eigentlichen Sinne.
Klärt ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer darüber allerdings nicht auf, kann das teure Folgen haben: Laut Rechtsprechung des EuGH und des BAG verfällt bzw. verjährt der Urlaub ohne diesen Hinweis nicht, auch wenn er nicht rechtzeitig genommen wird.
Am Ende eines Arbeitsverhältnisses kann das für Arbeitgeber finanziell schmerzhaft werden, wenn etliche nicht genommene Urlaubstage abgegolten werden müssen.
Allerdings greift diese Rechtsprechung nur für Arbeitnehmer.
Geschäftsführer können wie Arbeitnehmer zu behandeln sein
Entscheidend für den Fall der Geschäftsführerin und ihren Urlaubsabgeltungsanspruch war deswegen die Frage: Hätte der Arbeitgeber sie als „Arbeitnehmerin“ über das drohende Verfallen ihres Urlaubsanspruchs informieren müssen, damit die sie keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat?
Ja, entschied das BAG. Denn die Frage, wer Arbeitnehmer sei oder nicht, sei europarechtskonform zu bestimmen.
Im Lichte des Europarechts bzw. der EuGH-Rechtsprechung betrachtet, sei jedenfalls diese Geschäftsführerin Arbeitnehmerin: Sie habe während einer bestimmten Zeit für jemand anderen nach dessen Weisung gegen Vergütung Leistungen erbracht. Fremdgeschäftsführer einer Kapitalgesellschaft seien damit nicht per se keine Arbeitnehmer, auch wenn es wie immer auf den Einzelfall ankommt.
Hier kommt nun der Dienstvertrag der Frau ins Spiel, der ihre Aufgaben sehr detailliert regelte. Vor allem weil die Geschäftsführerin sehr engen arbeitsvertraglichen Vorgaben in Hinblick auf ihre Aufgaben unterlag, kam das BAG nicht umhin, sie – europarechtskonform – als Arbeitnehmerin einzuordnen.
Die Folge der nicht erfolgten Information: ein Urlaubsabgeltungsanspruch der Geschäftsführerin in voller Höhe.
Was wir für Sie tun können
Haben Sie Fragen zum Thema Urlaub und Geschäftsführer? Sprechen Sie uns gerne an!
Das Wichtigste kurz zusammengefasst:
- Arbeitgeber müssen Arbeitnehmer darüber informieren, dass ihr Urlaubsanspruch verfallen kann.
- Unterbleibt dieser Hinweis an Arbeitnehmer, verfällt der Urlaubsanspruch nicht und kann am Ende eines Arbeitsverhältnisses zu erheblichen Urlaubsabgeltungsansprüchen führen.
- Fremdgeschäftsführer einer GmbH können europarechtskonform im Einzelfall als Arbeitnehmer gelten, wenn es um die Anwendung des Bundesurlaubsgesetzes und Urlaubsabgeltung geht. Auch sie sollten deswegen über den drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen informiert werden.