Skandale in der Wirtschaft und Politik gibt es genug. Einige hätten durch frühzeitige Hinweise vielleicht vermieden werden und Missstände aufgedeckt werden können. Aus Furcht vor Repressalien halten viele Menschen ihre Hinweise aber zurück. Das soll sich ändern. Hinweisgeber oder Whistleblower sollen innerhalb der Europäischen Union besser geschützt werden.
Eine entsprechende EU-Richtlinie dazu vom 23. Oktober 2019 ist schon in Kraft getreten. Die EU-Staaten haben nun bis zum 17. Dezember 2021 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Der Entwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz der Bundesjustizministerin geht sogar über die EU-Vorgaben hinaus. Sie will nicht nur Whistleblower schützen, die auf Verstöße gegen EU-Recht hinweisen, sondern auch Hinweisgeber, die Verstöße gegen deutsches Recht melden. Der Entwurf ist innerhalb der Regierung umstritten und geht einigen zu weit. Es ist offen, ob er in der aktuell vorliegenden Form umgesetzt wird.
Einheitlicher Schutz von Whistleblowern in der EU
Die EU-Richtlinie sieht einheitliche Standards für den Schutz von Whistleblowern innerhalb der Europäischen Union vor. Demnach müssen u.a. Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten sichere Meldekanäle einrichten, bei denen Whistleblower Missstände melden können ohne Repressalien befürchten zu müssen.
Empfohlen wird dabei, dass Hinweisgeber zunächst interne betrieblichen Kanäle nutzen bevor sie sich an die externen behördlichen Meldestellen wenden. Dabei handelt es sich aber nur um eine Empfehlung. Der Schutz soll natürlich auch dann gewährleistet sein, wenn der Hinweis sofort gegenüber einer behördlichen Meldestelle erfolgt und nicht erst intern im Betrieb.
Durch die Umsetzung dieser Vorkehrungen sollen Whistleblower vor Repressalien wie beispielsweise Einschüchterung oder Verlust des Arbeitsplatzes geschützt werden.
Entwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz liegt vor
In Deutschland muss noch über den Entwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz entschieden werden. Hinweisgeber sollen besser geschützt und Repressalien gegen sie verboten werden. Vorgesehen ist in diesem Zusammenhang eine Beweislastumkehr. Im Fall einer Kündigung bedeutet das beispielsweise, dass nicht der Whistleblower beweisen muss, dass er seinen Job verloren hat, weil er Hinweise zu Missständen gegeben hat, sondern dass der Arbeitgeber darlegen muss, dass die Kündigung nichts mit dem Whistleblowing zu tun hat.
Der umfassende Schutz soll sowohl für Mitarbeiter privater Unternehmen als auch des öffentlichen Dienstes und Beamte gelten. Sie sollten für ihre Hinweise aber auch die vorgesehenen Meldestellen nutzen. Wer sofort den Weg über die Öffentlichkeit, z.B. über soziale Medien sucht, riskiert, dass er nicht unter den Hinweisgeberschutz fällt.
Arzt verliert seinen Job wegen Whistleblowing
Hier hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Urteil vom 16. Februar 2021 entschieden, dass die außerordentliche Kündigung eines stellvertretenden Chefarztes einer Klinik in Liechtenstein gerechtfertigt war. Aufgrund einer Häufung von Sterbefällen nach einer Morphingabe hatte der deutsche Arzt aktive Sterbehilfe in der Klinik vermutet. Er zeigte den behandelnden Chefarzt bei der liechtensteinischen Staatsanwaltschaft an, ohne sich zuvor intern um eine Klärung bemüht zu haben.
Die Ermittlungen zeigten, dass der Verdacht unbegründet war. Der Arzt erhielt die fristlose Kündigung. Der EGMR hielt sie für gerechtfertigt, da der Arzt den schwerwiegenden Verdacht angezeigt habe, ohne die Vorwürfe intern genauer zu prüfen.
Hätte sich der Fall nicht in Liechtenstein, sondern in einem Mitgliedsstatt der EU ereignet, hätte der Arzt nach seinem Hinweis vermutlich nicht seinen Job verloren.
In welchem Umfang Hinweisgeber in Deutschland geschützt werden ist noch offen. Es spricht viel dafür, dass der deutsche Hinweisgeberschutz stärker sein wird, als von der EU gefordert. Sicher ist, dass die EU-Richtlinie bis Ende des Jahres umgesetzt werden muss. Ein Hinweisgeberschutzgesetz kommt. Arbeitgeber sollten die Zeit nutzen, um zuverlässige und sichere Meldekanäle einzurichten.