Gesetzentwurf: Tägliche Arbeitszeit stets sofort und digital dokumentieren
Laut dem Gesetzentwurf für „Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung“ von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sollten ab Oktober elf Branchen wie Baugewerbe, Gebäudereiniger, Speditionen oder Hotellerie und Gastronomie sowohl Dauer als auch Ende der täglichen Arbeitszeit elektronisch und manipulationssicher erfassen. Dies jeweils am Tag der Arbeitsleistung und den Arbeitsbeginn jeweils unmittelbar bei Arbeitsaufnahme. Für Verstöße drohten Bußgelder. Daraufhin hagelte es Kritik von Branchenverbänden, die sich vor juristisch und technisch schwer lösbare Probleme gestellt sahen. Zwar mussten die Betriebe nach § 17 Mindestlohngesetz schon bisher die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter*innen erfassen, aber nicht zwingend elektronisch. Nun hat das Bundesarbeitsministerium die Pläne für die digitale Zeiterfassung erst einmal aufgeschoben.
Entwicklung einer für Arbeitgeber kostenfreien digitalen Lösung?
Stattdessen wollen die Bundesministerien für Arbeit und Soziales sowie für Finanzen gemeinsam eruieren, wie die digitale Zeiterfassung umgesetzt werden kann, ohne dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen durch die Anschaffung von digitalen Zeiterfassungssystemen übermäßig belastet werden. Geprüft wird die Entwicklung einer digitalen Anwendung, die den Arbeitgebern kostenfrei zur Verfügung gestellt werden kann.
EuGH verpflichtet Mitgliedsstaaten, Arbeitszeit-Dokumentation einzuführen
Nichtsdestotrotz sollten Arbeitgeber die Verschnaufpause nicht tatenlos verstreichen lassen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Mitgliedsstaaten bereits im Jahr 2019 verpflichtet, eine Arbeitszeit-Dokumentation einzuführen. Und mit Bezug auf dieses Urteil obliegt es Arbeitgebern auch nach deutscher Rechtsprechung, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzurichten. Zwar genügte den Luxemburger Richtern diese auch in Papierform, wenn sie objektiv, verlässlich und zugänglich ausgestaltet ist. Spätestens seit dem Digitalisierungsschub durch die Corona-Pandemie dürfte aber klar sein, dass eine elektronische Zeiterfassung effizienter und somit auch für Arbeitgeber vorteilhafter ist – sofern die Anforderungen des Gesetzgebers praxistaugleich sind und ausreichend Zeit für die Umsetzung bleibt.
Jetzt handeln und Beteiligung Betriebsrat einplanen
Nicht für alle Beschäftigten und Unternehmen wird die kostenfreie Anwendung von Bundesarbeitsminister Heil und Bundesfinanzminister Lindner die beste Lösung sein. Insofern sollten Chefs und Chefinnen sowie HR Manager*innen jetzt proaktiv handeln und sich einen Überblick verschaffen über passende digitale Systeme, die die Arbeitszeit aller Arbeitnehmer*innen erfassen – sowohl vor Ort als auch im Homeoffice oder beim Kunden. Dies gilt umso mehr, als in mitbestimmten Betrieben nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz Zeit für die Beteiligung des Betriebsrats einzuplanen ist.
Vorsicht Datenschutz
Digitale Aufzeichnungen der Arbeitszeit sind personenbezogene Daten und somit besonders zu schützen, um beispielsweise Hackerangriffe abzuwehren. Besondere Vorsicht ist auch geboten, weil sich diese Informationen grundsätzlich eignen, um Angestellte anhand von Bewegungsprofilen zu kontrollieren. Eine solche Verwendung verstößt aber gegen den Grundsatz der Zweckbindung aus Art. 5 Abs. 1b Datenschutzgrundverordnung: Demzufolge dürfen die Daten der Arbeitszeiterfassung nur für diesen bestimmten Zweck genutzt werden. So ist es beispielsweise auch unzulässig, Aufzeichnungen eines Schließsystems aus einem Büro- oder Prduktionsgebäude für die Kontrolle der Arbeitszeit zu nutzen. Wie er die Arbeitszeit ermittelt, kann der Arbeitgeber im Grundsatz frei entscheiden. Doch wie wir bereits berichtet haben ist beispielsweise die Zeiterfassung per biometrischem Fingerabdruck ohne Einwilligung der Beschäftigten nicht zulässig, so das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Last but not least gilt der Speicherung besonderes Augenmerk: Personenbezogene Daten sind nach einer Kündigung zu löschen. In der Regel gilt eine Aufbewahrungsfrist von zwei Jahren als zulässig, falls die Daten beispielsweise vor Gericht benötigt werden.
Klar ist: Die Pflicht zur digitalen Erfassung der Arbeitszeit wird kommen – schließlich haben die Richter des EuGH dies dem deutschen Gesetzgeber auferlegt. Mit Blick auf die Compliance und um Bußgelder zu vermeiden, sollten Unternehmen jetzt handeln. So bleibt Zeit, um nach individuell passenden, datenschutzkonformen und praxistauglichen Lösungen zu suchen, die mobile Arbeit im Homeoffice genauso abdecken wie den Einsatz beim Kunden. Zugleich lässt sich der Fahrplan bei der Mitbestimmung besser einhalten.