BAG: offene Videoüberwachung, Datenschutz, Beweisverwertung?

 Machen Datenschutzverstöße Überwachungsvideos in Kündigungsschutzverfahren unbrauchbar?

BAG: offene Videoüberwachung, Datenschutz, Beweisverwertung?

Überwachungsvideos können in Kündigungsschutzverfahren das Zünglein an der Waage sein. Aber sind Videos vor Gericht verwertbar, wenn eine offene Videoüberwachung erlaubt war, aber Datenschutzrecht verletzte? BAG, Urteil v. 29.06.2023, Az.: 2 AZR 296/22.

Offene Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist ein heikles Thema. Aber gerade die sog. offene Videoüberwachung ist in bestimmten Bereichen eines Betriebs erlaubt. Dabei gibt es klare gesetzliche Vorgaben, die dazu führen, dass offen sichtbare Videoüberwachung z. B. im Eingangsbereich eines Unternehmens zulässig ist.

Voraussetzungen für eine solche offene Videoüberwachung sind u. a., dass

a) mit Schildern klar auf die Kameras hingewiesen wird und
b) die Kameras leicht erkennbar montiert sind.

Der Rechtsrahmen für die offene Videoüberwachung am Arbeitsplatz ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. c), e), Art. 17 Abs.1 DSGVO und § 26 Abs.1 Satz 1 BDSG.

So müssen Arbeitgeber Videoaufzeichnungen auf das notwendige Maß beschränken und die Aufnahmen müssen zweckangemessen sein. Aus Gründen der Datensparsamkeit sollte auch die Speicherdauer auf maximal zehn Tage beschränkt sein, sofern keine konkreten Verdachtsmomente eine längere Speicherung rechtfertigen.

Wichtig ist allerdings: Existiert ein Betriebsrat im Unternehmen, muss der Betriebsrat dem Einsatz aller Überwachungskameras zustimmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).

Der Fall vor dem BAG

Was genau war im Fall passiert, der vor dem BAG endete? Der Mitarbeiter eines metallverarbeitenden Unternehmens stand im Verdacht, das Werksgelände zwar vor Beginn der Nachtschicht betreten, aber vor Schichtbeginn auch wieder verlassen zu haben: ohne zu arbeiten, aber nicht ohne Lohn dafür zu bekommen. Arbeitszeitbetrug witterte der Arbeitgeber und kündigte dem Mann fristlos und zusätzlich ordentlich.

Wie war der Arbeitgeber darauf gekommen, dass der Mann sich noch vor Schichtbeginn vor der Arbeit gedrückt hatte? Ein anonymer Hinweis brachte den Arbeitgeber auf die Spur des Mannes: Das Überwachungsvideo einer Kamera am Werkstor belege den zu frühen Antritt des Heimweges.

Gegen die Kündigungen klagte der Mann. Er habe ordnungsgemäß gearbeitet. Nur wollte er das Überwachungsvideo nicht als Beweis eingebracht sehen. Die Videoaufnahme würde wegen Verstößen gegen das Datenschutzrecht einem Beweisverwertungsverbot unterliegen: Es sei länger als eigentlich zulässig gespeichert worden. Außerdem sei eine Auswertung personenbezogener Daten aus den Videos laut einer Betriebsvereinbarung nicht erlaubt.

Datenschutzverstoß spielt im Kündigungsverfahren keine Rolle

Ob das Überwachungsvideo als Beweis verwertet werden kann, hängt laut BAG allerdings nicht davon ab, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Datenschutzrechts gerecht wird.

Denn auch hier müsse man die Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers gegeneinander abwägen. Immerhin habe der Arbeitgeber das Überwachungsvideo als Beweis für ein schweres arbeitsrechtliches Fehlverhalten (ggf. strafbar als Betrug) vorgelegt. Demgegenüber fällt das Interesse des Arbeitnehmers an der Einhaltung des Datenschutzrechts deutlich weniger ins Gewicht.

Eine Verletzung der DSGVO führe jedenfalls nicht zu einem Beweisverwertungsverbot vor einem Arbeitsgericht – jedenfalls dann nicht, wenn es um den Nachweis eines vorsätzlichen Fehlverhaltens gehe.

Offene Videoüberwachung war in Ordnung

An sich sei die Videoüberwachung in diesem Fall auch nicht zu beanstanden: Auf die Kamera am Eingangstor wurde mit einem Schild ausdrücklich hingewiesen. Gut zu sehen war die Kamera außerdem. Insofern sah das Gericht die Anforderungen an eine offene Videoüberwachung am Arbeitsplatz als erfüllt an.

Was wir für Sie tun können!

Wir unterstützen Sie gerne, wenn Sie Fragen im Zusammenhang mit Videoüberwachung und Arbeitnehmerrechten im Unternehmen haben. Sprechen Sie uns gerne an!

Das Wichtigste kurz zusammengefasst:

  • Die offene Videoüberwachung am Arbeitsplatz unterliegt rechtlichen Regeln.
  • Arbeitgeber dürfen Daten aus einer zulässigen Videoüberwachung nur „sparsam“ erheben und speichern.
  • Die datenschutzrechtlich unzulässige Speicherung und Auswertung eines Überwachungsvideos führen nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot in Kündigungsschutzverfahren.