Der Fall vor dem BAG
Ein Arbeitnehmer erkrankte nach mehreren Jahren Tätigkeit für seinen Arbeitgeber in den Jahren 2019 und 2020 für längere Zeit. Zwischen August 2019 und dem 13. August 2020 fehlte er arbeitsunfähig erkrankt mehr als 100 Arbeitstage. Kurz darauf – ab dem 18. August 2020 bis in den September 2020 – war der Arbeitnehmer erneut mehrfach arbeitsunfähig krank. Er fehlte jeweils zwischen ein und drei Arbeitstage, insgesamt war er in diesem Zeitraum zehn Arbeitstage arbeitsunfähig krank.
Für diese letzten zehn Krankheitstage wollte der Arbeitgeber allerdings – anders als zuvor – keine Entgeltfortzahlung mehr leisten.
Das Argument: Für diese Fortsetzungserkrankungen bestehe kein Anspruch mehr auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 Satz 1 bzw. 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG).
Das sah der Arbeitnehmer anders. Diese letzten Erkrankungen wären unterschiedliche, neue Erkrankungen gewesen, keine Fortsetzungserkrankung. Er habe also für diese zehn Krankheitstage Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Mit einigen Erstbescheinigungen inklusive darauf enthaltenen Diagnoseschlüsseln wollte er das nachweisen. Außerdem machte er nach eigenem Gutdünken einige Angaben zu seinen Erkrankungen. Er wollte sich allerdings zu allen (Vor-)Erkrankungen in 2019 und 2020 aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht äußern.
Arbeitnehmer muss Auskunft über Erkrankungen geben
Da der Arbeitgeber auch nach diesen Auskünften nicht zahlte, endete der Streit schließlich vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG).
Recht bekam hier der Arbeitgeber – einen Anspruch des Arbeitnehmers auf weitere zehn Tage Entgeltfortzahlung sah das Gericht nicht.
Der Arbeitnehmer war aus Sicht des BAG seiner abgestuften Beweislast nicht nachgekommen: Er hätte detaillierter Auskunft über seine Erkrankungen geben müssen, damit der Arbeitgeber bzw. das Gericht hätte beurteilen können, ob ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht oder nicht.
Demnach hätte der Arbeitnehmer laut BAG
- seinen Krankheitsverlauf und die Auswirkungen der Erkrankungen auf seine Arbeitsfähigkeit zumindest laienhaft schildern und
- seine Ärzte von der Schweigepflicht entbinden
müssen.
Seine willkürlich gewählten Angaben zu einigen Erkrankungen reichten dem Gericht nicht, genauso wenig wie der Verweis auf die Diagnoseschlüssel der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.
Auf dieser Grundlage könne man, so das BAG, nicht erkennen, ob es sich bei den Erkrankungen um Folgen derselben Grunderkrankung handelt oder nicht.
Offenlegung der Krankendaten versus Datenschutz
Letztlich teilte das BAG auch die datenschutzrechtlichen Bedenken des Arbeitnehmers nicht.
Grundsätzlich würde das Offenlegen von Gesundheitsdaten gegenüber dem Arbeitgeber oder dem Gericht zwar in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen.
In Fällen, in denen die Offenlegung der Daten notwendig ist, um eine rechtlich zutreffende Entscheidung zu treffen, sei ein solcher Eingriff allerdings verhältnismäßig und gerechtfertigt.
Denn nur anhand der Krankendaten hätte das Gericht zutreffend über einen erneuten Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 EFZG urteilen können.
Das Wichtigste kurz zusammengefasst:
- Im Fall einer sog. Fortsetzungserkrankung kann der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 EFZG entfallen.
- Im Streitfall müssen Arbeitnehmer im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast dem Arbeitgeber bzw. dem Gericht laienhaft den Verlauf ihrer vorherigen Erkrankungen schildern, damit verlässlich geprüft werden kann, ob eine Fortsetzungserkrankung vorliegt.
- Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist in einem solchen Fall gerechtfertigt – Datenschutzaspekte treten hier in den Hintergrund.