Bildung und Qualifizierung sind Schlüsselthemen angesichts des Fachkräftemangels und der digitalen und grünen Transformation. Der Strukturwandel erfordert neue Fertigkeiten und einige Tätigkeitsprofile werden obsolet. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dadurch verunsichert. In Zeiten des Umbruchs muss HR also nicht nur Beschäftigung soweit wie möglich sichern. Eine People Strategy muss vor allem auch die Arbeitnehmer*innen mitnehmen. Gefragt sind durchdachte Lösungen, um alternde Belegschaften weiterzubilden und passgenaue Ausbildungsangebote für Geringqualifizierte zu entwickeln.
Unternehmens- und branchenübergreifende Netzwerke gestalten den Wandel
Doch nicht jeder Mitarbeiter kann oder will sich für die Smart Factory, Elektromotoren, Brennstoffzelle oder New Work fortbilden. Zugleich besitzen diese Beschäftigten aber möglicherweise Qualifikationen, die in Zeiten des Fachkräftemangels von anderen Unternehmen dringend gesucht werden. Doch über Firmen- und Branchengrenzen hinweg ist es noch einmal schwieriger als innerhalb des eigenen Unternehmens ein Monitoring vorhandener Kompetenzen aufzubauen, Transparenz über zukunftsrelevante Qalifikationen zu schaffen und alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden. Vor diesem Hintergrund bilden große Konzerne bereits branchenübergreifende Qualifizierungs- und Kompetenzinitiativen wie die Allianz der Chancen, um die Beschäftigten mitzunehmen und die Transformation mit allen Akteuren gemeinsam zu gestalten – angefangen bei Unternehmen und Betriebsräten über Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften bis zu Bildungsträgern und Bundesagentur für Arbeit. Ins selbe Horn stösst die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Auch sie schlägt vor, Drehscheiben zu entwickeln und abgebende sowie aufnehmende Unternehmen zu vernetzen, um einen möglichst nahtlosen Personalübergrang zwischen Unternehmen „aus Arbeit in Arbeit“ zu ermöglichen. Die Kooperation von abgebenden und aufnehmenden Arbeitgebern sowie Arbeitsagenturen in regionalen Weiterbildungsverbünden könnte dabei helfen, gemeinsam nach Lösungen und passenden Qualifizierungen zu suchen.
Brücken in Beschäftigung bauen
Transfergesellschaften kommt vor diesem Hintergrund eine wachsende Bedeutung zu, um Brücken in Beschäftigung zu bauen und Fachkräftemangel sowie Stellenabbau zugleich abzuhelfen. Eingeführt wurden diese in Deutschland Ende der 80er Jahre als arbeitsmarktpolitisches Instrument, das es Arbeitgebenden im Falle einer Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG ermöglicht, sich mittels Aufhebungsvertrag und somit ohne Kündigung sozialverträglich von Beschäftigten zu trennen. Eine Transfergesellschaft gilt als Transfermaßnahme gemäß §§ 110ff Sozialgesetzbuch (SGB) III. Sie wird bis zu zwölf Monate gefördert, die Arbeitnehmer*innen werden qualifiziert und in der Statistik nicht als arbeitslos geführt. Zu den wichtigsten Vorteilen zählen neben der staatlichen Förderung beispielsweise Rechts- und Kalkulationssicherheit, weil keine Kündigungsschutzklagen drohen. In der Regel ist keine Sozialauswahl notwendig. Für Mitarbeiter*innen ist die Transfergesellschaft attraktiv, da sie soziale Sicherheit vermittelt. Die Beschäftigten müssen nicht den Gang zur Arbeitsagentur antreten, sondern wechseln unmittelbar nach dem Ausscheiden aus dem bisherigen Unternehmen in ein neues sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft. Sie erhalten Transferkurzarbeitergeld, gegebenenfalls ergänzt um Zuschüsse des ehemaligen Arbeitgebers für Qualifizierungsmaßnahmen.
Transfergesellschaften gezielt weiterentwickeln
Allerdings werden die Möglichkeiten dieses Instruments in der Praxis nicht immer ausreichend genutzt, wie auch der Bundesverband deutscher Unternehmensberater (BDU) feststellt. Künftig müsse im Mittelpunkt stehen, die Teilnehmenden bestmöglich für den nächsten Karriereschritt vorzubereiten, Zugänge zum Arbeitsmarkt und hohe Vermittlungsquoten zu schaffen sowie zukunftsfähige Qualifizierungen zu organisieren. Deshalb hat der BDU Grundzüge ordnungsgemäßer Transferberatung erarbeitet, um Qualitätsmerkmale als Best-Practice-Leitfaden für Betriebe und Mitarbeitende zu etablieren. Auch die Allianz der Chancen und der BDA plädieren dafür, dass Transfergesellschaften künftig primär das Ziel einer Integration in Beschäftigung verfolgen. Demgegenüber werden sie bislang teilweise als Rentenbrücke genutzt und es wird bewusst eingeplant, dass ein Mitarbeiter phasenweise Arbeitslosengeld bezieht.
Flexibilität belohnen
Den Wechsel aus Arbeit in Arbeit könnten beispielsweise auch Fördermittel für Unternehmen erleichtern, die von Kündigung bedrohte Mitarbeitende mit Bewerbertrainings und Vermittlung neuer Arbeitgeber unterstützen. Bislang ist dies erst möglich, wenn Beschäftigte bereits arbeitslos oder in eine Transfergesellschaft gewechselt sind. Da sich Arbeitnehmer*innen mitunter scheuen, den Arbeitsplatz zu wechseln oder neue Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen zu erwerben, könnte Flexibilität und Qualifizierung beispielsweise durch finanzielle Anreize belohnt werden, so das Positionspapier der Allianz der Chancen: Etwa in Gestalt steuerlicher Erleichterungen für Abfindungen, wenn ein Arbeitnehmer eine schlechter bezahlte Stelle annimmt. Auch mittels niedrigschwelliger Praktika bei einem potenziellen neuen Arbeitgeber lassen sich etwaige Vorbehalte abbauen. Der BDA schlägt vor, Abfindungszahlungen etwa aus Sozialplänen der abgebenden Arbeitgeber nicht nur an die ehemaligen Beschäftigten, sondern auch die aufnehmenden Unternehmen zu leisten, um beispielsweise zu möglichen Qualifizierungskosten bei der Einarbeitung im neuen Unternehmen beizutragen.
Angesichts der Herausforderungen durch Fachkräftemangel sowie digitale und grüne Transformation brauchen auch arbeitsmarktpolitische Instrumente wie die Transfergesellschaft ein Update. Vor allem bedarf es einer engeren Vernetzung von regionalen Arbeitsagenturen, Transfergesellschaften und potenziellen Arbeitgebern. Unter diesen neuen Vorzeichen bekommt die Transfergesellschaft wachsende Bedetung für HR, um den Wandel zu gestalten.